Neue Galerie: „Z9A“ eröffnet mit Fotoausstellung
Der Raum hat einen schrägen Hinterhof Charme, und in diesem Fall passt das durchaus zu den
hier gezeigten Fotos. „Z9A Galerie für aktuelle Kunst“ hat Dietmar Müller das Zimmer
im Hinterhaus der Zanggasse 9 a genannt, wo die Fotos von Otto Peter Boller, mit Klammern
befestigt, wie Wäschestücke an einer Leine hängen. Fast scheinen sie frisch aus dem
Entwicklerbad zu kommen, diese Fotos, die wie in einem Übergangszustand präsentiert werden.

Bahngleise und Stellwerke sind auf den Schwarzweiß Fotos zu sehen, die am Rande des Verfalls
vor sich hin dämmern. Graffitispuren auf den Mauern einer alten Fabrikhalle, Steine auf
einem zerfaserten Stück Holz, ein verwittertes Schild mit der Aufschrift „Gartenabfälle“
das sind unauffällige Randerscheinungen in unserem Alltag, über die wir gerne hinwegsehen,
weil sie den Keim von Vergänglichkeit in sich tragen. Eine Stimmung von Melancholie und
leiser Tristesse geht von diesen Fotos aus, staub und kohlengrau scheint die Welt.
Ein Waggon mit Containerbeschriftungen steht vergessen vor tief hängenden Wolken, das
grobzackig herausgebrochen Glas in einer intakten Fensterreihe lässt den Anfang von einem
Ende erkennen, das unwiderruflich kommen wird.

Man kennt ähnliche Fotos aus Bildbänden über die untergegangene DDR, und immer entsteht dabei
der Eindruck, als ob hier jemand etwas festhalten wolle, um es dem Vergessen zu entreißen.
Die Fotos von Boller haben dies vielleicht weniger im Sinn, sie lenken aber unseren Blick auf
die Ränder des Alltags, weil sie den Dingen, die nun unnütz scheinen, ihre Würde zurück geben.

29. Juli 2003 Allgemeine Zeitung, Mainz